Im Rahmen der „Maritime Safety Days“ wurden in den vergangenen Wochen an den Küsten im ganzen Land Schwerpunktkontrollen der Sportboote durchgeführt. Völlig überraschend war einer der Prüfungsschwerpunkte, ob aktuelle Papierseekarten an Bord mitgeführt werden. Fehlten solche, wurden Knöllchen in Höhe von 100-200 EUR verteilt. Wir fanden: Spannendes Thema! Und haben das Ganze mal juristisch durchgeprüft. Wir geben eine Antwort auf die Frage, warum diese Bußgeldbescheide unserer Ansicht nach in aller Regel rechtswidrig sind.
Papierseekarten für die Versicherung und das gute Gefühl!
Die Frage, ob überhaupt Papierseekarten an Bord mitgeführt werden müssen, wird mangels klarer gesetzlicher Regelung seit Jahren leidenschaftlich diskutiert. Aus unserer Sicht gehören Sie schon aus versicherungsrechtlichen Aspekten immer an Bord. Auch sind gerade auf kleinen Booten auf Papierkarten viel schneller Details zu erkennen und zu überprüfen. Da wir die Seefahrt aus Hobby betreiben, kann man auch einfach mal festhalten, dass sich die Arbeit mit einer Papierseekarte einfach so schön „maritim“ anfühlt. Schon deswegen finden wir es fast etwas schade, dass sich in vielen Nachbarländern seit Jahren der Trend abzeichnet, elektronische Seekarten die nicht ECDIS baumustergeprüft sind auf Sportbooten zuzulassen. Beispielsweise ist dies bereits für Boote unter dänischer oder schwedischer Flagge ganz offiziell der Fall. . Deutschland hat eine solche Sonderregel, die nach dem SOLAS Übereinkommen grundsätzlich möglich wäre, noch nicht ausdrücklich erlassen. Auch stellen wichtige Seefahrtsnationen wir Großbritannien oder die USA die Produktion von Seekarten auf Papier schrittweise ein
Die Zentralnorm
Für Sportboote, die nicht gewerblich genutzt werden, heißt es daher in § 13 der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) noch verhältnismäßig harmlos:
Der Eigentümer eines Schiffes, das die Bundesflagge führt, hat dafür zu sorgen, daß (…)
auf der Brücke stets folgende Unterlagen vorhanden sind: (…)
die für die jeweilige Seereise erforderlichen amtlichen Ausgaben von Seekarten und Seebüchern im Sinne von Abschnitt C.I.4 der Anlage 1; bei Sportbooten (…) genügt es, wenn an Bord nichtamtliche Ausgaben mitgeführt werden,
Asterix / Passierschein A 38
Abschnitt C.I.4. der Anlage 1 zur SchSV verweist dann auf die Regeln V/18 und V19 SOLAS, die dann aber für Sportboote, nochmal gestaffelt nach Größe, nur teilweise überhaupt Anwendung finden, und bzgl. einzelner Regelungen dann wieder auch nur, wenn dies in der SchSV oder in einem in Abschnitt D der Anlage zum SchSG aufgeführten Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union festgelegt wird. Für gewerbliche genutzte Sportboote ist dies in der SportbootVO alles nochmal anders. Ein völlig undurchsichtiger Gesetzesdschungel.
Alles klar soweit?!
Versucht man sich gesetzeskonform zu verhalten, fühlt man sich fast wie Asterix bei der Beantragung von Passierschein A38.
Alles klar soweit?!
Versucht man sich gesetzeskonform zu verhalten, fühlt man sich fast wie Asterix bei der Beantragung von Passierschein A38.
Gesetzesauslegung für private Wassersportler
Auffällig ist bei der oben abgebildeten Norm, dass das Medium der mitzuführenden Seekarten (digital oder Papier?) nicht erwähnt wird, was dann auch noch durch den Hinweis, dass „nichtamtliche Ausgaben“ ausreichen, nur noch verstärkt wird. Gleichwohl ergibt sich aus dem internationalen SOLAS Übereinkommen aber, dass elektronische Seekarten eigentlich ECDIS baumustergeprüft sein müssen. Wir von Yacht-Recht.de empfehlen deswegen auch aus Gründen der Rechtssicherheit immer Papierseekarten an Bord mitzuführen. Klarheit würde hier nur ein Gerichtsurteil oder eine klare gesetzliche Regelung schaffen.
Rechtswidrigkeit der Bußgeldbescheide
Nicht nur wegen der etwas unklaren Rechtslage steht aus unserer Sicht fest, dass die kürzliche erlassenen Bußgeldbescheide rechtswidrig sind. Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht gelten immer als „ultima ratio“ des Staates: Die Sanktionierung der Verletzungen von Pflichtverletzungen gilt immer als ein letztes Mittel, weswegen Unklarheiten in den Sanktionsnormen auch immer zulasten der Ermittlungsbehörden gelten.
Da die Regeln zur Ausrüstungspflicht mit Papierseekarten dermaßen unklar formuliert und auf andere Normen verweisend sind, ergeben sich sogar verfassungsrechtliche Bedenken an entsprechenden Bescheiden: Der sogenannte „Normbefehl“ eines Gesetzes, was also vom Bürger verlangt wird, muss eigentlich klar erkennbar sein. Das ist aus unserer Sicht aber nicht gegeben.
Aber damit sind die Bedenken gegen die Knöllchen noch nicht zu Ende: Der von den Wasserschutzpolizeien herangezogene Bußgeldtatbestand (Nr. 34.100410 BVKatBinSee) spricht nämlich nur davon, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn die „erforderlichen amtlichen Ausgaben“ nicht mitgeführt wurden. Sportboote müssen anerkanntermaßen (siehe § 13 SchSV) aber gar keine amtlichen Ausgaben mitführen. Auch ist die Frage der Aktualität im Bußgeldtatbestand dort überhaupt nicht erwähnt. Vergleichen kann man das in etwa mit einer ähnlichen Situation im Straßenverkehr: Die Polizei darf zwar prüfen, ob ein Verbandskasten vorhanden ist, ein Bußgeld wegen Überschreitens des Ablaufdatums darf sie aber nicht verhängen. Das darf nur der TÜV oder Behörden nach dem Medizinproduktegesetz prüfen.
Wir gehen daher davon aus, dass Bußgeldbescheide gegen Sportbootskipper wegen des Fehlens von aktuellen Seekarten rechtswidrig sind und Rechtsmittel gute Erfolgschancen haben.
Hast du einen solchen Bußgeldbescheid erhalten und Lust, die Frage zu klären?
Wir beraten dich gerne!
Ansprechpartner bei Yacht-Recht.de: Rechtsanwalt Max Leßner