In Gewährleistungsfragen wird häufig über den technischen Zustand eines Bootes bei der Übergabe von Verkäufer auf den Käufer gestritten. Ein häufiges Problem dabei ist es, den Zustand des Bootes in diesem Zeitpunkt im Nachhinein festzustellen. Insbesondere wenn an dem Boot Veränderungen vorgenommen worden sind oder es möglicherweise auch untergegangen oder in einen anderen Teil der Welt verbracht wird. Probleme, die wir immer mal wieder bei der Bearbeitung vorfinden.
Ein anderer Umstand, weswegen ein Boot als Beweismittel wegfallen kann ist allerdings ein rein rechtlicher. So hat das Landgericht Flensburg in einer Entscheidung aus März 2024 den Beweisbeschluss über die Sachverständigenbesichtigung eines Bootes wieder aufgehoben, weil der Eigentümer hiergegen Einwände erhoben hat. Die Entscheidung ist gerade für boat-living people wichtig.
Substanzmängel am Rumpf
In dem vorliegenden Fall stritten die Parteien über erhebliche Substanzmängel an einem verkauften Schiffskutter. Die Käufer gerieten an einen Kieler Rechtsanwalt, der gleichzeitig eine Werft betreibt. Als Werftinhaber erklärte er das Schiff zum schweren Mangelfall und bot gleichzeitig Reparaturleistungen in einer Größenordnung an, die offensichtlich das Budget der Käufer überstieg. Als Rechtsanwalt machte er dann Gewährleistungsansprüche gegenüber der Verkäuferin geltend.
Verkauf des Schiffes im laufenden Gerichtsverfahren
Ob auf die Beratung des Kieler Rechtsanwalts hin oder nicht: Die Käufer veräußerten im laufenden Gerichtsverfahren den Kutter für einen Euro an Menschen ohne festen Wohnsitz. Zwischenzeitlich erließ das Landgericht Flensburg einen Beweisbeschluss, nachdem ein gerichtlicher Sachverständiger das Boot und dessen Zustand zu beurteilen hatte. In Im Schneegestöber trafen sich dann die Anwälte und der Sachverständige vor Ort in Kiel in einem ehemaligen Marinehafen, wo der Kutter vertäut lag. Überraschend entstieg dem Kutter eine Person, die sich als neuer Eigentümer vorstellte und erklärte, er wolle eine Besichtigung des Kutters nicht haben. Der neue Eigentümer kannte den Kutter bereits von früher, konnte ihn sich damals aber nicht leisten und hatte ihn nun von den Zwischen-Eigentümern für einen sehr überschaubaren Betrag erwerben können.
Eigentümer eines Bootes muss grundsätzlich Beweisaufnahme auf diesem dulden
Grundsätzlich muss auch der Eigentümer einer Sache die Durchführung einer Beweisaufnahme an seinen Sachen dulden. Dafür kann vom Gericht ein entsprechender Duldungsbeschluss ergehen. eingeschränkt ist dieses Recht aber bei Wohnungen. Der neue Eigentümer gab an, dass er auf den Kutter wohnen wolle und -wenn er beruflich in Kiel ist- dort auch wohnen würde.
Beschwerde gegen den Beweisbeschluss
Der neue Eigentümer legte Beschwerde gegen den Duldungsbeschluss des Landgerichts Flensburg ein, der das Landgericht Flensburg entsprach. Der Beweisbeschluss wurde aufgehoben. Denn auch ein Kutter kann als „Wohnung“ im Sinne von Art. 13 GG verstanden werden. Unter den Tatbestand einer Wohnung fallen auch Zweitwohnungen, wie auch Hausboote, wenn sie als Privaträume genutzt werden.
Nutzung des Bootes als Privatwohnung sperrt Beweisbeschluss
Maßgebend ist lediglich, dass es sich dabei um zu privaten Wohnzwecken gewidmete Räumlichkeiten handelt, in denen der Mensch das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden. Die Einwendung gegen den Beweisbeschluss hat also Verfassungsrang.
Ob die Käufer des Bootes gut beraten waren, vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens aus der Hand zu geben, darf damit bezweifelt werden. Deutlich wird, dass derjenige, der sich auf Sachmängel an einem Boot beruft, besser nicht Besitz und Eigentum hieran aufgibt, bevor er seine Rechtsverfolgung wegen vermeintlicher Mängel abgeschlossen hat.
Die Entscheidung des Landgerichts Flensburg bietet mehr Klarheit für all diejenigen, die boat-living betreiben, eine Lebensart, die auch in Deutschland zunehmend im Wachsen begriffen ist.
Quelle: Landgericht Flensburg, Beschluss vom 01.03.2024, Az. 4 O3 120/22.
Ansprechpartner für Yachtrecht und Beweisführung wegen Mängel an Booten und Yachten ist Rechtsanwalt Jochen-P. Kunze