Anforderungen an die Fristsetzung bei Mängeln
Für den normalen Verbraucher ist es völlig egal, ob er bei der Beanstandung von Mängeln dem Verkäufer oder dem Werkunternehmer abmahnt oder eine Nacherfüllungsfrist setzt.
Er möchte das Problem behoben wissen.
Dass hier aber schon häufig die Tücken im Detail liegen, ist jedem im Gewährleistungsrecht tätigen Rechtsanwalt mehr als gut bekannt. Häufig wird daher zur Sicherheit bei der anwaltlichen Bearbeitung von Gewährleistungsansprüchen noch einmal ein unangreifbares anwaltliches Aufforderungsschreiben mit Nacherfüllungsverlangen gestellt, schlicht um prozessuale Risiken bei der späteren Durchsetzung vor Gericht zu vermeiden.
Der Bundesgerichtshof hat in einer neuen Entscheidung vom 13. Juli 2016 (BGH, NJW 2016, 3654) die Anforderungen hier etwas herunter geschraubt.
In dem Fall hatte der BGH über die Rückzahlung des Kaufpreises für eine Einbauküche sowie über Schadensersatzansprüche des Käufers zu entscheiden. Der Käufer hatte in einer E-Mail zahlreiche Mängel bezeichnet und um deren “schnelle Behebung” gebeten. Mit einem weiteren Schreiben knapp einen Monat später listete er erneut alle ihm bekannten Mängel auf und verlangte, diese innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu beheben.
Der Küchenverkäufer sagte wenige Tage später zu, die Küche werde innerhalb der Frist “fix und fertig” gestellt. Aber es geschah nichts. Der Käufer erklärte dann nach Ablauf der Frist Rücktritt vom Kaufvertrag.
Das Berufungsgericht stellte jedoch fest, dass die erste Aufforderung zur Mangelbeseitigung keine wirksame Fristsetzung darstellen und die spätere Nachricht an den Küchenverkäufer aber eine so kurz bemessene Frist gehabt, dass die Rücktrittserklärung des Käufers zu früh erfolgt sei.
Der Bundesgerichtshof entspannte den Käufer, denn er hielt die erste Mangelanzeige mit der Bitte um “schnelle Behebung” für eine wirksame Fristsetzung i. S. v. § 281, 323 BGB. Die Aufforderung zur unverzüglichen, sofortigen und umgehenden Leistung oder vergleichbare Formulierungen würden die Anforderungen des § 281 Abs. 1 BGB erfüllen. Die Angabe eines bestimmten Zeitraums oder Termins, an dem die Frist ablaufe, bedürfe es nicht. Die damit einhergehende Ungewissheit für den Schuldner, welche genauen Zeitraum ihm für die Leistung zur Verfügung stehe, sei für das Recht des Käufers unschädlich.
In einer weiteren Entscheidung hatte der Senat auch die Aufforderung “entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor” als wirksame Fristsetzung zur Nacherfüllung angesehen.
Die Rechtsprechung besteht aus Sicht einiger Experten im Widerspruch zum Gesetz. Das Fristsetzungserfordernis zum § 281 und § 323 BGB hat zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen. Zum einen muss eine Leistungsaufforderung des Gläubigers an den Schuldner (inhaltliche Dimension) und zweitens eine Fristsetzung für die Leistung (zeitliche Dimension) vorliegen. Damit unterscheidet sich die Fristsetzung wesentlich von der Mahnung (§ 286 BGB) für die alleine die inhaltliche Komponente maßgebend ist. Während die Mahnung aber den Schuldner nur warnen soll, dass seine unterbleibenden Leistung rechtliche Folgen für ihn haben wird, erfüllt die Fristsetzung einen doppelten Zweck. Sie gibt dem Schuldner eine letzte Chance, die Leistung doch noch, wenn auch verspätet, zu erbringen und sich so die vereinbarte Gegenleistung zu sichern. Das Fristsetzungserfordernis folgt also dem Grundsatz pacta sunt servanda und fördert die Vertragserfüllung. Zum anderen soll dem Schuldner aber auch vor Augen geführt werden, dass er bei erfolglosem Ablauf der Frist die Chance auf die Gegenleistung verlieren wird und u. U. sogar mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wird (Warnfunktion)
Unter einer Frist versteht man im BGB in einen abgegrenzten, d. h. bestimmt bezeichneten oder jedenfalls bestimmbaren Zeitraum. Die Frist zur kann zeitlich datumsmäßig durch einen festen Endtermin oder durch einen zeitlichen Abstand zwischen zwei Ereignissen bestimmt oder durch einen unbestimmten Begriffe festgelegt werden. (“Leisten bis zum… “oder” Leiste binnen… “)
Eine solche Zeitspanne fehlt aber dann, wenn der Schuldner nur mit der Aufforderung konfrontiert wird, die Leistung “sofort” zu erbringen. Im Gegensatz zu “unverzüglich” (§ 121 BGB) bedeutet “sofort” dass die Leistung ohne jedes (auch unverschuldete) Hinauszögern erfolgen muss. Juristisch nicht geschulte Parteien werden die Begriffe “unverzüglich” und “sofort” häufig mit den gleichen Inhalt belegen, sodass es regelmäßig vom Zufall abhängen wird, ob die Fristsetzung wirksam ist oder nicht.
Der Bundesgerichtshof nivelliert damit den Unterschied zwischen einer Mahnung und Fristsetzung fast vollständig. Eine Aufforderung zur sofortigen, umgehenden oder unverzüglichen Leistung erfüllt die Warnfunktion nach Meinung vieler nicht hinreichend. Der Schuldner kann einer derartigen Erklärung nämlich nicht entnehmen, bis zu welchem konkreten Zeitpunkt er seine vertraglichen Pflichten den ordnungsgemäß erfüllen will, wird er die Nachteile einer unterbleibenden Leistung verhindern.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hilft also Anspruchsinhabern, die sich bei der Artikulation ihres Gewährleistungsverlangens unklar ausgedrückt haben. Ungeachtet dessen halten wir es weiterhin für sicherer, mit klaren und eindeutigen Fristen zu arbeiten.
Ansprechpartner bei Yacht & Recht in Wees bei Flensburg für Fragen ist Rechtsanwalt Jochen-P. Kunze