Haftung eines Bootsbausachverständigen

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Umfang der Prüfungspflichten – Feuchtigkeitsmessung

Richterliche Einschätzung zu dem Erfordernis, bei einem Wertgutachten an einem formverleimten Holzboot Feuchtigkeitsmessungen durchzuführen.

Urteil zum Pflichtenumfang von Bootsbau-Sachverständigen

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat am 21. September 2020 ein Urteil  des Landgericht Flensburg vom 5. Dezember 2019 bestätigt, in dem die interessante Frage des Pflichtenumfangs und der Haftung von Bootsbau-Sachverständigen bei der Fertigung eines Wertgutachtens behandelt wird (SH OLG, Az. 7 U 3/ 20. LG Flensburg, Az. 3 O 9/18).

Wertgutachten für formverleimtes Holzboot

In dem Streitfall ging es um die Erstellung eines Wertgutachtens bei der Anschaffung eines älteren formverleimten Holz- Seekreuzers. Entgegen der häufig von uns zu beobachtenden Praxis, hatte der Bootsbau-Sachverständige hier vor der Auftragsausführung für eine aus unserer Sicht halbwegs vernünftige vertragliche Grundlage und nach der Auftragsausführung für eine aussagekräftige Dokumentation des Ergebnisses der Besichtigung gesorgt.

Das Schleswig-holsteinische Oberlandesgericht bestätigt ungeachtet der Frage der Auftragsinhalte im Detail, dass für das bei dem Sachverständigen bestellte Gutachten Werkvertragsrecht anzuwenden sei (unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 11.10.2001 – VII ZR 475/00; NJW 2002, 749, 750)

Feuchtigkeit und weiche Stelle im Unterwasserschiffbereich

Der Auftraggeber erwarb das Boot in der Folge, hatte einige Zeit später allerdings Probleme mit Feuchtigkeit und einer weichen Stelle in Bereichen der Konstruktion (Motorfundament/ Saildrive), die ohne substanzverletzen Prüfung nicht ohne weiteres zugänglich waren. Deswegen nahm er den Bootsbau- Sachverständigen in die Haftung. Ob die weiche Stelle bereits im Zeitpunkt der Besichtigung vorgelegen hatte, das konnte nicht mehr ermittelt werden, erschien aber nicht wahrscheinlich.

Keine generelle Pflicht zur Feuchtigkeitsmessung

Das Gericht hatte sich mit der Frage des zu erwartenden Prüfungsumfangs bei Erstellung eines solchen Wertgutachtens auseinanderzusetzen. Dabei erachtete das Oberlandesgericht es für erforderlich, im konkreten Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, was der konkret geschuldete Erfolg des Werkauftrags sein sollte. Dies bemesse sich nicht alleine nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Gutachten erreichen sollte. Auch dies ergebe sich nur durch Auslegung. Bei dieser Auslegung sei die berechtigte Erwartung des Bestellers (hier des Kaufinteressenten) von Bedeutung (unter Verweis auf BGH, Urt. v. 31.08.2017 – VII ZR 5/17 – NJW 2017, 3590, 3591, Rn. 25). Mangels konkreter schriftlicher Vereinbarung, orientierte sich das Oberlandesgericht dabei an der Korrespondenz zwischen Gutachter und Kaufinteressenten. Dabei wurde deutlich, dass eine Feuchtigkeitsuntersuchung ausdrücklich nicht geschuldet war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war auch allgemein eine Feuchtigkeitsuntersuchung nicht geschuldet und hierfür ergaben sich auch keine Indizieren aufgrund anderer erkennbarer Umstände.

Im Ergebnis stellt das Gericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme fest, dass sich ein Gutachter in einem derartigen Fall für Zwecke der Erstellung eines Wertgutachtens grundsätzlich auf eine optische, mechanische und olfaktorische Prüfung beschränken könne. Eine Feuchtigkeitsmessung sei nicht standardmäßig erforderlich, auch nicht bei formverleimten Holzkonstruktionen.

Feuchtigkeitsmessung nur bei individuellem Anlass

Der Gutachter habe hier einen Bewertungsspielraum, ob eine solche Feuchtigkeitsmessung im Einzelfall vorzunehmen sei oder nicht. Im vorliegenden Fall konnte der Gutachter zur Überzeugung  des Gerichtes darlegen, dass es keine Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer weiteren Feuchtigkeitsmessung gegeben habe. Solche Anhaltspunkte waren im vorliegenden Fall selbst trotz Vorliegen von Feuchtigkeitserscheinungen im Bereich der Bodenwrangen deswegen nicht gegeben, da konstruktionsbedingt die feuchten Bodenwrangen abzugrenzen sind von den übrigen angrenzenden Bauteilen des Bootes.

Fehlende Aussagekraft von Feuchtigkeitsmessungen

Auch eine andersartige Feuchtigkeitsmessung gehört nicht zum zugrunde zulegenden Pflichtenrahmen. Dies selbst dann nicht, wenn eine Feuchtigkeitsmessung ohne Substanzzerstörung problemlos und ohne Aufwand möglich sei. Derartige Messungen mit diesen Geräten seien fehleranfällig und nicht zuverlässig. Denn die Geräte reagieren nicht nur auf Feuchtigkeit in Hölzern, sondern auch auf verschiedene andere Materialien, wie beispielsweise im Holz befindlichen Nägel, Klammern und Bolzen, ferner auch Farbe, Leim und Klebstoffe. Auch die Dichte des Holzes sowie die Faserausrichtung können die Ergebnisse der Messungen beeinflussen. Letztlich stelle die Feuchtigkeit vom Holz auch für sich genommen noch keinen Schaden dar, sondern nur eine dadurch möglicherweise hervorgerufene Substanzveränderung. Diese müsse der Gutachter ohnehin gesondert prüfen.

Grenzen der Haftung des Sachverständigen

Das Oberlandesgericht hielte Anforderungen für überspannt, in einem Fall wie dem vorliegenden dem Sachverständigen auch die Haftung für das Nichtvorhandensein sämtlicher, ggf. auch versteckter, Mängel aufzuerlegen. Das entspräche einer Garantiehaftung des Sachverständigen, für die sich nach dem Auftrag kein Anlass ergäbe.

Keine Hinweispflicht des Sachverständigen

Eine gesonderte Hinweispflicht des Sachverständigen über das Unterbleiben einer Feuchtigkeitsmessung  erkannte das Oberlandesgericht bereits deswegen nicht, weil der Kaufinteressent bei der Besichtigung des Sachverständigen selbst persönlich anwesenden war und hiermit keine Informationslücke bestand.

Das der Kaufinteressent hierbei keine Feuchtigkeitsmessung forderte, spricht nach Ansicht des Oberlandesgericht darüber hinaus nochmal dafür, dass der Kaufinteressent für vertiefte Untersuchungen keine Erwartungen hatte.

Fazit

Aus dem für beide Seiten riskanten und belastenden Prozess sind aus unserer Sicht folgende Schlüsse zu ziehen:

Sachverständige

…sind trotz des guten Ausgangs dieses Verfahrens gut beraten, den Gegenstand und den Umfang Ihrer Tätigkeiten vor Vertragsschluss hinreichend genau zu kommunizieren und den Umfang ihrer Leistungsverpflichtung schriftlich festzuhalten. Dafür bieten sich vielfältig auch Formulargestaltungen an. Letztlich kommt es insbesondere häufig auch darauf an, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nur sinnvoll formuliert, sondern insbesondere auch wirksam in das Auftragsverhältnis einbezogen werden. Die tatsächliche Praxis, die wir aus der Beratung von vielen Bootsbau- Sachverständigen kennen ist, dass hier häufiger mehr Disziplin und Problembewusstsein bei Sachverständigen sinnvoll wäre.

Bootskäufer

…sind gut beraten, vor der pauschalen Beauftragung eines Gutachters mit diesem insbesondere zu klären, welche Beurteilungsschritte und welche Ermittlungsmethoden bei dem ins Auge gefassten Boot sinnvoll sind, welche Kosten hierdurch entstehen und welche Erkenntnisse durch die jeweiligen Prüfmethode zu erwarten sind. Auch hier ist häufig zu beobachten, dass die Parteien sich nicht genügend damit auseinandersetzen, was prüfrelevant ist und was nicht. Die häufig unzureichende Kommunikation zwischen Bootskäufern und Sachverständigen tut ihr übriges, um Haftungsfälle und Verfahrensrisiken heraufzubeschwören.

Eine Situation, in der sich kaum jemand gerne wiederfindet- nicht nur wegen der beidseitigen Nervenanstrengung für das meist lange gerichtliche Verfahren, sondern auch wegen der Prozesskostenrisiken.

Ansprechpartner für Bootsbausachverständige

Sie haben als Sachverständiger Fragen zur Gestaltung sinnvoller Besichtigungsaufträge und Haftungsbeschränkungen sowie allgemeine Geschäftsbedingungen? Ansprechpartner hierfür bei Yacht & Recht in Wees bei Flensburg ist Rechtsanwalt Jochen- P. Kunze  

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