Durchsetzung von GewährleistungsansprüchenKostenerstattung ohne Mangelbeseitigung

03.06.21Es gibt rechtliche Aspekte, an die denkt keiner unserer Mandanten, wenn er mit Gewährleistungsfragen beim Bootskauf oder im Zuge einer Reparatur oder Sanierungsleistung von Werften zu uns kommt.

Ganz banale Dinge sind dann Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsstreitigkeiten. Die Problemstellungen zu kennen ist schon bei den ersten Maßnahmen zur Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen wichtig.

Es ist komplex:

Kostenerstattung ohne Reparatur

Aktuell beispielsweise die Frage der Behandlung sogenannter fiktiver Mängelbeseitigungskosten. Kosten also, deren Erstattung begehrt wird, ohne das nach der Erstattung eine Reparatur oder Mangelbeseitigung konkret vorgenommen wird. Letztlich lief es quasi jahrzehntelang so, dass ein Anspruchsteller einfach in die Erstattung von Kosten fordern konnte, die ein Sachverständiger gutachterlich festgelegt hat. Zwischenzeitlich ergaben sich dann noch Fragen zur Erstattungspflicht hinsichtlich der Umsatzsteuer, die für so eine Leistung zu zahlen ist. Hierzu entwickelte sich eine Rechtsprechung, nach der die Umsatzsteuer nur dann zu erstatten ist, wenn die Mangelbeseitigungen tatsächlich vorgenommen worden und bezahlt worden ist.

Unterschiedliche Meinungen beim BGH

Zwischen den VII. und dem 5. Zivilsenat des BGH findet aktuell eine Auseinandersetzung über die Erstattungsfähigkeit dieser fiktiven Mangelbeseitigungskosten ganz grundsätzlich statt. Dabei prallen die Meinungen nicht nur allgemein aufeinander, sondern beziehen sich auf unterschiedliche Bewertungen einmal im Kaufrecht und einmal im Werkvertragsrecht, Gesetzliche Bereiche, die Gegenstand europarechtlicher Harmonisierungbestrebungen gewesen sind.

Keine Erstattung ohne Mangelbeseitigung im Werkvertragsrecht

Der VII. Zivilsenat hat in seinem Zuständigkeitsbereich Anfang des Jahres 2018 die Auffassung erlangt, fiktive Mangelbeseitigungskosten seien grundsätzlich nicht erstattungsfähig (BGHZ. R218, eins gleich NJW 2018, 1463 Rn. 31 ff.) Dies beziehe sich zumindest auf die Frage der Mangelbeseitigung im Werkvertragsrecht. Die Auffassung stützt sich auf verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadensbegriff und zur Gefahr einer Überkompensation zugunsten des Anspruchstellers.

Erstattungsfähigkeit ohne Reparatur im Kaufrecht

Der 5. Zivilsenat des BGH sieht dies im Bereich des Kaufrechts anders und argumentiert seine Sicht der Dinge mit den unterschiedlichen Regelungen im Schuldrecht. Er verweist darauf, dass im Werkvertragsrecht ein Vorschussanspruch des Bestellers gemäß § 634 Nr. 2, 6 und 730 Abs. 3 BGB bestehe. Dieser Ansprüche gibt es im Kaufvertragsrecht nicht..

Klärung des Meinungsstreits

Eine abschließende Klärung ist noch nicht in Sicht. Viel spricht aber dafür, dass in beiden Fällen eine Erstattungspflicht fiktiver Mangelbeseitigungskosten zumindest im Grundsatz besteht, wenn auch hinsichtlich der rechtlichen Herleitung noch Fragen offenbleiben. Diese unterschiedliche Betrachtung muss aber bei der Rechtsverfolgung und den dabei dem Gegner gegenüber geäußerten Gestaltungserklärungen berücksichtigt werden.

Perspektive der Funktion des Schadenersatzes

Die Funktion des Schadensersatzes statt der Leistung bedingt, dass man sich bei der Bemessung des Schadens an dem Leistungsinteresse des Käufers oder Bestellers zu orientieren hat. Dieser muss so gestellt werden, wie er bei ordnungsgemäßer Leistung stehen würde. Dieser Anspruch richtet sich unzweifelhaft darauf, dass der Anspruchsgegner jedenfalls den Minderwert der Sache bzw. des Werkstücks sowie die tatsächlichen Kosten der Mängelbeseitigung schuldet. Wenn der Verkäufer oder der Werkunternehmer somit in erster Linie Nacherfüllung schuldet, liegt die Annahme nahe, dass man sich bei der Bemessung des Schadens mangels tatsächlicher Aufwendungen auch an den fiktiven Mängelbeseitigungskosten orientieren kann. Da es sich bei den Schadensersatz statt der Leistung gerade nicht um eine Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes handelt, stellen die für die Herbeiführung des geschuldeten mangelfreien Zustands erforderlichen Kosten jedoch keinen zwingenden Ansatzpunkt dar. Will der Käufer oder Besteller die Herstellung des mangelfreien Zustands, so kann er Nacherfüllung (Mangelbeseitigung) verlangen oder den Mangel (nach Fristsetzung) selbst beseitigen und Kostenersatz verlangen.

Abstellen auf den Vermögensschaden

Stellt man aber auf den durch die Nichterfüllung bei dem Käufer oder Besteller eingetretenen Vermögensschaden ab, so besteht das Problem, dass fiktive Mängelbeseitigungskosten bei Ihnen jedenfalls noch nicht angefallen sind und daher auch nicht das Vermögen des Gläubigers gemindert ist. Richtiger Ansatzpunkt ist dann der Minderwert der Sache oder des Werkes. Die fiktiven Mängelbeseitigungskosten können zwar ein Indiz für den Minderwert darstellen. Das muss aber nicht notwendigerweise der Fall sein. Die Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten folgt daher nicht schon aus dem Begriff des Schadensersatzes statt der Leistung.

Ursache für den Streit: Schuldrechtsreform

Als im Rahmen der Schuldrechtsreform 2002 das Kauf- und Werkvertragsrecht überarbeitet worden sind, war als die Zielbestimmung, einen Gleichlauf zwischen beiden Vertragstypen herzustellen. Ein vollständigen Gleichlauf ist aber nicht erreicht worden. Wir werden in dieser Frage zukünftig noch eine weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu erwarten haben.

Ansprechpartner im Bereich Mangelhaftung bei Yachtkauf oder Reparatur/ Sanierung

Sie haben Fragen im Hinblick auf kaufrechtliche oder werkvertragsrechtliche Ansprüche auf Mangelbeseitigung? Ansprechpartner bei BRINK & PARTNER für diese Fragen sind Rechtsanwalt Jochen-P. Kunze, Sebastian Bauer, Sandra Martensen 

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